Ausschnitt aus Kapitel 3

Als fremde auf einer türkischen Hochzeit

Da hupt es auch schon. Es bleibt keine Zeit mehr, um sich über das richtige Outfit Gedanken zu machen. Karim steht mit seinem verstaubten Flitzer parat, um uns abzuholen. Wir fahren klappernd ein paar Meter, halten dann für ein Getränk und einen ausgiebigen Schwatz. Wir kommen kaum von der Stelle, denn die Prozedur wiederholt sich unzählige Male.

Immer mehr, wenig feierlich gekleidete Gäste quetschen sich zu uns ins schäbige Fahrzeug. Die anfangs halbwegs geteerte Straße weicht bald einem holprigen, mit Schlaglöcher versehenen Waldweg.

Wo um Himmels Willen soll in dieser gottverlassenen Gegend eine Hochzeit stattfinden? Gibt es überhaupt eine Hochzeit? Wohin fahren uns diese wildfremden Menschen?

Schon als kleines Kind bekommt man eingebläut, nicht zu Fremden ins Auto zu steigen.

Was machen wir hier nur? In uns macht sich ein mulmiges Gefühl breit und unsicher blicken wir uns an. Auf was wir uns da nur eingelassen haben?

Ändern können wir es nicht mehr. Aussteigen auch nicht. Wir sitzen eingeklemmt zwischen grölenden Burschen und fahren – hoffentlich – zu einer Hochzeit, die wohl im Nichts stattfinden wird.

Abrupt stoppt der abgenutzte Wagen. Wir sind da!

Vor uns erstrecken sich riesige Felder, ein Marktstand ist aufgebaut und Hunderte von Plastikstühlen sind im Halbkreis aufgestellt worden. Orientalische Musik trällert über die Wiese. Vor einem kleinen Plastikzelt wuseln verschleierte Frauen eilig hin und her. Nur ausgewählte Personen dürfen das Zelt betreten.

Nach und nach kommen immer mehr Autos angefahren und parken wild durcheinander in den Wiesen, im Schlamm und zwischen den Bäumen.

Erleichtert atmen wir auf: Es handelt sich also doch nicht um eine Entführung. Gleichzeitig wundern wir uns: Hier soll tatsächlich eine Hochzeit stattfinden?

Schnell machen sich unsere knurrenden Mägen unmissverständlich bemerkbar. Wir sind es gewohnt, bei Hochzeiten hungrig und vor allem durstig anzukommen, da man stets bestens mit allerlei Köstlichkeiten verpflegt wird. Nicht so am ersten Abend einer türkischen Hochzeit!

Vergebens suchen wir das reichhaltige Buffet und auch ein Kellner mit Tablett und Sektgläsern ist nirgends zu sehen. Unsere Mägen bleiben leer und dabei haben wir extra nichts gegessen, um bei den traditionellen türkischen Gerichten richtig zuschlagen zu können!

Dafür mangelt es nicht an feierlustigen Gästen. 200 bis 300 Menschen, wenig elegant gekleidet, dafür in einfacher Bauerntracht, verteilen sich auf den Stühlen. Munter wird getratscht und wir werden neugierig beäugt. Als einzige Ausländer fallen wir auf wie bunte Hunde, was uns überhaupt nicht behagt.

Ein Kopftuch auf meinem Haupt wäre auch nicht fehl am Platz gewesen. Zum Glück habe ich mich in weiser Voraussicht davon abgehalten, einen kurzen Rock anzuziehen.

Vom Brautpaar ist derweil keine Spur zu sehen, alle warten.

Ein Herr kommt schließlich auf uns zu und fragt, ob wir hungrig seien. Mit knurrenden Mägen können wir dies nicht verneinen. Wie aus Zauberhand wird daraufhin ein kleiner Tisch extra für uns aufgebaut. Auch verschiedene Esswaren werden aus dem Nichts hervorgezaubert. Wir sind die einzigen, die etwas essen und die Menschenmassen schauen uns neugierig und belustigt zu.

Das Essen schmeckt vorzüglich. Wir kommen uns allerdings wie auf einem lauten Bazar vor bei dem wir die Hauptattraktion sind.

Wir sind froh, etwas in unsere Mägen zu bekommen und unsere Neugierde darauf, was uns an diesem Abend alles erwarten wird, wächst.